Ich halte die Augen geschlossen und mein ganzer Körper ist ins helle Licht getaucht. Die wohltuende Wärme durchströmt meine Glieder und ich fühle mich geborgen. Du legst deine Hand auf die meine und ich höre deine sanfte Stimme leise sagen: „Wach auf, ich führe dich durch das Paradies.“
Mit einem zufriedenen Lächeln öffne ich meine Augenlider und drehe den Kopf zu dir. Du kniest neben mir und der Wind lässt ein paar Haarsträhnen dir ins Gesicht fallen. Langsam stehe ich auf und blicke mich um. Der blaue Himmel, die Palmen, der weite Ozean und der weiße feine Sand unter meinen Füßen, auf dem ich soeben noch gelegen habe, alles an diesem Ort strahlt absolute Ruhe aus. Gemeinsam gehen wir am Strand entlang und genießen den idyllischen Ausblick.
„Möchtest du zusammen mit mir tauchen gehen?“, fragst du mich mit einem erwartungsvollen Blick.
Ich nicke und mein Lächeln wird breiter. Zielstrebig führst du mich durch den kleinen Palmenwald. Etwas irritiert folge ich dir und blicke zurück zum Ozean, von dem wir uns entfernten. Nach einer kurzen Weile kommen wir auf der anderen Seite des Waldes an und stehen direkt vor einer kreisförmigen Bucht. Das Wasser darin ist dunkelblau. Der Meeresgrund scheint hier sehr tief zu sein.
„Was werden wir uns gleich ansehen?“, mein Interesse ist geweckt.
„Das ist eine Überraschung“, zwinkerst du mir zu und springst sogleich ins Wasser.
Lachend springe ich dir hinterher, dann hole ich tief Luft und tauche unter. Mühelos schwimme ich dicht hinter dir immer tiefer, bis wir den Grund erreichen. Verwirrt sehe ich mich um. Außer Sand und Wasser, kann ich nichts erkennen. Wir schwimmen entlang des Meeresbodens und entdecken weiterhin keine kleinen Fische oder Krebse. Als würde das Leben diesen Ort meiden. Man hätte sich genauso gut die Oberfläche des Mondes anschauen können. Etwas enttäuscht tauche ich wieder auf. Als ich an der Wasseroberfläche die frische Luft einatme, tauchst auch du neben mir aus dem Wasser auf.
„Faszinierend, nicht wahr?“, sagst du mit großen Augen.
„Wovon redest du?“, entgegne ich stattdessen aufgebracht. „Dort unten ist absolut nichts! Keine bunten Korallen oder exotischen Fische, geschweige denn Muscheln oder Austern, in denen man Perlen finden könnte.“
„Genau das ist so faszinierend daran“, fährst du unbeirrt fort. „Dieser Ort war noch vor wenigen Jahrzehnten voller Leben. Doch dann haben die Menschen sich dazu entschlossen, das Paradies für eine große Sache zu opfern. Sie verstrahlten es mit zahlreichen Atombomben-Tests und gelangten so zu einer Waffe, um alle Kriege zu beenden. Dies war zumindest deren Begründung für das Unrecht.“
Schockiert sehe ich dich an, dann blicke ich mich panisch um. „Wir sind hier im Krater einer Atombombe?“
„Ja, von der größten Wasserstoffbombe, die je gezündet wurde“, erzählst du aufgeregt.
„Bitte lass uns von hier verschwinden“, flehe ich dich an und schwimme zurück ans Ufer.
„Aber wohin?“, rufst du mir nach.
Ich halte inne und blicke dich fragend an.
„Wir sind jetzt im Paradies!“, sagst du laut lachend.
„Hier ist alles radioaktiv verseucht! Das ist kein Paradies mehr, sondern die Hölle! Wir werden sterben, wenn wir uns hier länger aufhalten“, erkläre ich dir.
„Die ganze Welt ist radioaktiv verstrahlt“, offenbarst du mit einem müden Lächeln. „Es macht keinen Unterschied irgendwo anders hinzugehen oder zu schwimmen.“
Schweigend sehe dich an und mein Verstand weigert sich deine Worte zu akzeptieren. „Wie meinst du das?“, frage ich zögernd.
„Wir beide sind bei einem Atombombenangriff auf unsere Stadt gestorben. Ich wollte deiner Seele den Ort zeigen, an dem alles begann. Und hier möchte ich mit dir bleiben“, sagst du ruhig und legst mir eine Hand auf die Wange.
„Wir sind tot?“, stelle ich betrübt fest.
„Ja, und wenn es dich tröstet, wir starben in wenigen Sekunden und empfanden keinen Schmerz“, erklärst du mit sanfter Stimme.
„Wieso kannst du dich an den Moment unseres Todes erinnern und ich mich nicht?“, wollte ich wissen.
„Weil in dem Augenblick, als es passierte, wir uns küssend auf einer Brücke standen. Ich öffnete meine Augen, um dein schönes Gesicht zu betrachten, und dann sah ich die Bombe in nur wenigen hundert Meter Entfernung hinter dir explodieren. Die Hitze war so gewaltig, dass wir zu Asche zerfielen“, berichtest du traurig. Dann legst du deine Arme auf meine Schultern, gibst mir einen leidenschaftlichen Kuss und wir beide versinken langsam im Wasser im Atombombenkrater.
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