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Kapitel 7 - Die Traumprinzen


9. Mai 1875


Johanna und Thomas von Bouget erlaubten ihren Kindern an diesem Abend aller guten Manieren zum Trotz, bis spät in die Nacht eine kleine, private Pyjamaparty zu viert abzuhalten. Denn es gab ordentlich etwas zu feiern. Die drei Schwestern und Jakob hatten sich in Janes Zimmer versammelt. Sie hatten sich auf dem Boden ein gemütliches Lager aus Decken und Kissen errichtet, Kerzen angezündet und sich Obst, Gemüse und Kuchen aus der Küche bringen lassen. Vor allem aber hatte Jakob ohne die Kenntnis der Eltern vier Flaschen Champagner aus dem Weinkeller entwendet und ließ die Korken knallen.

„Jakob, hör auf. Das ist bereits die dritte Flasche!“, bat Jane ihn besorgt.

„Ach, papperlapapp, nicht lange reden, Champagner trinken!“, antwortete Jakob und füllte die vier Gläser mit dem wohlschmeckenden Getränk auf.

„Ich möchte an dieser Stelle einen Toast aussprechen“, verkündete Melanie leicht berauscht. „Auf Nero, den besten Freund, den ich jemals hatte und dem wir alle gemeinsam viel zu verdanken haben.“


„Prost!“, riefen die vier Geschwister im Chor und nahmen einen großen Schluck aus ihren Champagnergläsern.

„Allerdings. Beim Rennen hatte kaum jemand auf seinen Sieg gewettet, abgesehen von mir. Und nun seht her, ich bin ein reicher Mann“, berichtete Jakob lachend und öffnete die oberen Knöpfe seines Hemdes.

Melanie hatte ihr Erspartes ebenfalls um ein kleines Vermögen aufgestockt, denn neben dem Pokal und dem unendlichen Ruhm eines Champions hatte sie eine beträchtliche Summe gewonnen.

Die vier Geschwister hatten bereits ihre Schlafsachen an. Aufgrund der zahlreichen leuchtenden Kerzen und des vielen Alkohols wurde es in dem großen Zimmer allmählich warm. Veronika hielt es nicht mehr länger aus und legte ihren Morgenmantel ab. Darunter hatte sie nur ein kurzes Negligé aus weißer Spitze an.

Melanie folgte ihrem Beispiel und saß entspannt auf dem Boden in ihrem seidenen Zweiteiler aus hellblauen Shorts und dem Top mit Spaghettiträgern. Nur Jane öffnete lediglich den Gurt ihres Morgenmantels und ließ den Blick auf ihr figurbetontes, hellgraues Nachthemd aus Seide frei, das ihr bis zu den Waden reichte.

„Veronika, erzähl Melanie doch von euren Bekanntschaften, die du und Jane während der Sportveranstaltung geschlossen habt“, bat Jakob seine betrunkene Schwester, die sich auf dem Boden rekelte.


Melanies Neugier wurde geweckt. „Welche Bekanntschaften?“

„Also, als Erstes muss ich gestehen, dass unsere Nachbarin Madame von Semur die wundervollste Person auf der ganzen Welt ist“, berichtete Veronika. „Gleich nachdem wir auf der Veranstaltung angekommen waren, hat sie uns beim Eingang zur Tribüne abgefangen. Sie nahm Jane und mich mit sich und stellte uns ein paar jungen Herren aus dem Hochadel vor. Natürlich, sie hat ja Verbindungen zu den besten Kreisen. Und einige dieser jungen Burschen waren schlichtweg zum Anbeißen.“

„Allem voran der Graf von Ailly. Ich habe gesehen, dass ihr euch lange unterhalten habt, und du dich an ihm nicht sattsehen konntest“, bemerkte Jakob und streichelte mit seinem Finger über Veronikas Schulter.

Sie kicherte verlegen und trank ihren Champagner.

„Hat dieser Graf von Ailly auch einen Vornamen?“, wollte Melanie wissen.

„Henri“, hauchte Veronika und schaute dabei verträumt zur Decke. „Er hat blau-grüne Augen mit langen Wimpern. Schwarzes, welliges Haar. Und einen unglaublich guten Modegeschmack. Er sah so adrett aus in seinem dunkelblauen Jackett und der weißen Hose, da konnte ich nicht anders, als mir sein Aussehen einzuprägen.“

„Ihr habt euch recht lange unterhalten. Worüber eigentlich?“, fragte Jakob und ließ seine Hand über Veronikas Schenkel gleiten.

Doch sie hielt ihn am Arm fest, übergab ihm ihr leeres Glas und antwortete: „Über etwas, für das ich definitiv nicht betrunken genug bin, um es dir zu verraten.“

„Uuuhuuu“, sangen Melanie und Jane im Chor und lachten. Jakob verstand Veronikas Aufforderung. Er schenkte ihr weiteren Champagner ins Glas ein und überreichte es ihr wieder.

„Und wer hat dir gefallen, Jane?“ Melanie richtete die Aufmerksamkeit auf ihre große Schwester.

„Richard, der Herzog von Crussol“, antwortete diese knapp.

„Erzähl mir von ihm! Wie ist er so?“, bat Melanie sie und legte sich auf die Seite. Sie war dem Kindsein fast entwachsen und ihre schlanke Taille bildete einen aufregenden Kontrast zu ihrem knackigen, durchtrainierten Po.


„Der Herzog ist ein überaus anmutiger Mann. Groß, schlank, muskulös und mit einer geraden Körperhaltung. Er hat dunkelbraune Augen mit langen Wimpern, ein männliches, kantiges Gesicht und schmale Lippen. Seine Haare sind hellbraun und haben blonde Strähnchen. Als ich mich mit ihm unterhielt, wirkte er nachdenklich. Ich hatte zwischendurch das Gefühl, er sei etwas melancholisch“, erklärte Jane und verlor sich dabei in ihren Gedanken.

Veronika hatte ihr Glas in der Zwischenzeit erneut geleert. Sie stellte sich auf alle viere und schlich ganz langsam auf Jane zu. Als sie nah genug am Gesicht ihrer Schwester war, hauchte sie mit sexy Stimme: „Na, vielleicht solltest du diesem Richard Folgendes ins Ohr flüstern: Küss mich. Küss mich, Richard, auf der Stelle!“

Jane kreischte vor Entsetzen auf und warf Veronika ein Kissen gegen den Kopf. Melanie und Jakob krümmten sich vor Lachen.

„Also, ich kenne diesen Richard zwar nicht, aber ich bin mir sicher, das würde ihn aufmuntern“, stimmte Melanie Veronika zu. Und wieder lachten alle gemeinsam.

„Ich kann es immer noch kaum glauben, dass der Kaiser uns zu seinem Ball am kommenden Wochenende eingeladen hat. Da werden wir Richard und Henri mit Sicherheit wiederbegegnen!“, freute sich Veronika und strahlte übers ganze Gesicht.

„Ja, dank mir und Nero seht ihr eure Traumprinzen bald wieder und werdet mit ihnen auf dem Ball tanzen“, prahlte Melanie selbstbewusst.

„Dieser Herzog von Crussol und der Graf von Ailly haben aber nicht schlecht gestaunt, als du das Rennen gewonnen hast“, bemerkte Jakob. „Sie schauten runter auf das Podest, auf dem du dich der Menge siegreich präsentiert hast, und konnten ihre Augen nicht mehr von dir abwenden.“


„Du meinst, sie waren geschockt“, korrigierte Jane ihn sogleich. „Mama wäre fast in Ohnmacht gefallen, als sie deinen Namen hörte, Schwesterherz. Papa musste sie festhalten. Und die anderen Adligen tuschelten untereinander und waren absolut fassungslos.“

„Natürlich waren sie das. Melanie ist die erste Frau, die das kaiserliche Pferderennen gewonnen hat, und ist somit eine Sensation. Wenn die Leute jetzt nicht über sie reden, dann wäre ich bitter enttäuscht“, regte Jakob sich auf.

„Der Grat zwischen Ruhm und Ruin ist ziemlich schmal. Hätte Kaiser Alexander Melanie nicht so hoch gelobt, sondern sie für ihr Verhalten getadelt, dann wäre ihr Ruf und der unserer gesamten Familie am Ende gewesen“, erklärte Jane.

„Es ist aber ganz anders gekommen und nun gehören wir aufs Siegertreppchen. Prost!“, schloss Melanie das Thema endgültig ab und stieß mit ihren Geschwistern auf eine glorreiche Zukunft an.

Die Stimmung war ausgelassen. Die vier Flaschen des teuren Champagners wurden geleert. Jakob fütterte Veronika, die ihren Kopf auf seinen Schoß gelegt hatte, mit Weintrauben. Und in der Zeit sangen Jane und Melanie ein Lied. Es war zwei Uhr in der Nacht und alle wurden müde und gähnten vor sich hin. Die Geschwister legten sich nebeneinander auf den Boden so wie früher als Kinder in ihrem alten Zuhause auf dem Lande. Jane schlief Seite an Seite mit Melanie und daneben lagen Jakob und Veronika. Sie hatten sich mit dem Gesicht zueinander gedreht. Seine rechte Hand lag auf ihrer linken und sie träumten von ihrem tiefsten Verlangen.

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